Warum Barhuf?

Warum Barhuf?

Seit rund 60 Millionen Jahren bewegt sich das Steppen- /Waldtier Pferd zwischen 10-40 km pro Tag. Es sucht täglich Ruheplätze, Weide- und Wasserstellen auf und bewegt sich dabei in jedem Tempo auf jeder Art von Untergrund. Viel Bewegung in natürlicher Körperhaltung (grasen, Futtersuche), Temperaturschwankungen, frische Luft und Sonne halten das Pferd gesund. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Bewegung ist lebensnotwendig

Bewegung ist lebensnotwendig, um die Blutumwälzung im Pferd zu gewährleisten. Das Herz selbst kann den Blutabtransport aus den Beinen nicht gewährleisten und benötigt die „Hufpumpe“, um nicht überlastet zu werden. Durch das Be- und Entlasten der Gliedmaße wird das Blut aus den Extremitäten wieder nach oben gepumpt. Innerhalb von rund 10 Tritten wird ca. 1 Liter Blut durch die Fesselpumpe umgewälzt.

Offenställe mit genügend Anreiz zur Bewegung können diesem Grundbedürfnis des Pferdes gerecht werden. Wichtig ist die kontinuierliche, meist langsame freie Bewegung. Reiten ist in den meisten Fällen eine punktuelle Belastung (Reitergewicht, meist schnellere Gangarten, …), die dem natürlichen Bewegungsbedürfnis des Pferdes entgegensteht.

Welche Auswirkungen hat Bewegungsmangel?

Was nicht benötigt wird verkümmert. So baut sich z.B. die Muskulatur des Pferdes ab. Durch ungenügende Blutzirkulation wachsen die Hufe langsamer, oft bilden sich Blutstauungen in den Beinen (Ödeme) oder es bilden sich Schwellungen am Kronenrand. Das Herz, die Nieren und die Leber werden überlastet, Stoffwechselvorgänge werden beeinträchtigt und eine Entgiftung über die Hufe ist nicht mehr gewährleistet.

Pferde, die sich nicht genügend bewegen werden oft zu dick. Erkrankungen wie z.B. Hufrehe oder EMS (ähnlich wie beim Menschen Diabetes) sind oftmals die Folge.

Bei Pferden in Boxenhaltung kommen häufig auch noch Belastungen durch Ammoniakdämpfe dazu und das Hufhorn wird durch die Einstreu angegriffen. Oftmals können solche Hufe nur noch mit Beschlag über einen gewissen Zeitraum Leistungen vollbringen.

Ein Huf wird so hart, wie es seine Umwelt erfordert!

Pferdehufe passen sich perfekt ihrer Umwelt an. So finden wir z.B. bei Arabern meist kleine, harte Hufe, die für das Laufen über Geröll und Steine geschaffen sind. Pferde, die überwiegend auf weichen, feuchten Böden zu Hause sind (z.B. Camargue-Pferde) entwickeln breite, flache Hufe, die auf dem nachgiebigen Untergrund den besten Halt bieten (eine breite Auflagefläche verringert das tiefe Einsinken in den Boden). Entsprechend der Lebensbedingungen entwickeln sich die Hufe so, dass ein optimales Laufen gewährleistet ist.

Pferdehufe müssen trainiert werden

Stellen Sie sich vor, Sie beschließen am Anfang des Sommers barfuß zu gehen. Auf weichem Boden wird es Ihnen sicher leicht fallen. Wenn Sie aber nun über Steine gehen, wird das recht unangenehm sein. Wenn Sie jedoch weiter barfuß gehen wird sich Hornhaut an Ihren Füßen bilden. Am Ende des Sommers wird es für Sie sicherlich kein Problem mehr sein, auf steinigem Boden zu laufen. Genauso geht es Ihrem Pferd!

Damit Hufe leistungsfähig und unempfindlich gegenüber unterschiedlichen Untergründen werden, müssen sie dafür trainiert werden. Daher ist es wichtig, Pferde auf allerlei verschiedenen Böden zu bewegen (Asphalt, Steine, Sand, Mutterboden). Ein Huf, der größtenteils auf weichem Wiesenboden steht, kann nicht wiederstandfähig werden!

Da die meisten Pferdehalter kaum die Möglichkeit haben, ihr Pferd mehrere Stunden am Tag auf unterschiedlichen Untergründen zu bewegen, ist es vorteilhaft, dem Pferd während seiner „Freizeit“ einen Auslauf mit unterschiedlichen, teilweise geschotterten und asphaltierten, Bodenbeschaffenheiten anzubieten.

Was tun, wenn eine naturnahe Haltung des Pferdes nicht möglich ist?

Nicht jeder Pferdehalter hat das Glück, seine Pferde direkt am Haus halten zu können. Oft stehen diese in einem Pensionsstall oder sind bei einem Bauern in Obhut. Manchmal lassen die örtlichen Gegebenheiten leider keinerlei Veränderungen zu.

Da heißt es, Kompromisse einzugehen und ideenreich zu werden.

Das A und O ist Bewegung. So sollte im Winter -zumindest stundenweise- ein Paddock zur Verfügung stehen. Im Sommer sollte Weidegang, ggf. auch zeitlich eingeschränkt, möglich sein. Oftmals kann schon eine Verbesserung erzielt werden, wenn Fressplätze und Tränken möglichst weit auseinander liegen. Da Pferde am Tag mehrfach trinken müssen, machen sie sich jedes Mal auf den Weg zur Tränke und bewegen sich dadurch mehr. Eine Art „Zick-Zack-Kurs“ auf dem Weg dorthin oder ein Umweg, kann für mehr Bewegung sorgen. Manchmal kann auch eine andere Zusammensetzung der Herde für mehr Laufleistung sorgen, wenn zum Beispiel „Bewegungsmuffel“ mit bewegungsfreudigen Pferden zusammen Weidegang bekommen.

Nicht jeden Tag hat man Lust zu reiten. Ein gemeinsamer Spaziergang mit dem Pferd verschafft nicht nur dem Vierbeiner Bewegung, sondern auch seinem Besitzer. Zusätzlich stärken diese gemeinsamen Ausflüge auch das Vertrauen zueinander und können sehr gut mit Bodenarbeit kombiniert werden.

Oft sind die Böden der Ausläufe und der Weiden zu weich, sodass die Hufe während der „Freizeit“ nicht genügend abgehärtet werden können. Sofern man nicht die Möglichkeit hat, täglich auf harten Untergründen zu reiten oder mit seinem Pferd Spaziergänge auf geschotterten Böden zu unternehmen, werden solche Hufe bei einer ungewohnten Belastung möglicherweise etwas „fühlig“ bleiben, da nicht genug Hornhaut auf der Hufsohle gebildet werden kann. Mittels Hufschuhen können diese Pferde aber problemlos auf jedem Untergrund bewegt werden. Wer mit dieser Einschränkung leben kann, kann auch bei nicht optimalen Lebens- und Haltungsbedingungen einen weitgehend gesunden Huf erhalten.

Hufeisen - ja oder nein?

Die Idee des Hufeisens entstand, als Pferde noch dem Lebensunterhalt des Menschen dienten, wie  Kutschern oder Landwirten. Das Pferd musste stundenlang auf Böden gehen, die oftmals einen zu starken Abrieb verursachten. Die Pferde mussten jederzeit einsatzbereit sein, da jeder Ausfall des Tieres  finanzielle Verluste für den Besitzer bedeutet hätte.

Heute sind die meisten Pferde Freizeit-, Zucht-  oder Turnierpferde.

8 Stunden Arbeit auf abriebintensiven Untergründen ist für gewöhnlich nicht mehr gegeben. In den meisten Fällen findet eine zu geringe Abnutzung des Hufes statt. Insofern stellt sich die Frage eines Hufeisens zum Schutz vor zu großer Abnutzung nicht mehr.

Bei Hochbelastungen (Wander-, Distanzritt oder auch Turnier) kann ein temporärer Hufschutz verwendet werden. Es gibt mittlerweile eine unzählige Menge an Hufschuhen oder man kann einen temporären Beschlag anbringen.  Ein Dauerbeschlag ist in den meisten Fällen jedoch unnötig und hindert mehr als er nutzt.

Welche Auswirkungen ein Eisenbeschlag auf Muskeln, Sehnen und Gelenke hat, können Sie ganz einfach an sich selbst testen. Nehmen Sie einen Gummi-Hammer und einen normalen Hammer in die Hand. Schlagen Sie mit jedem der zwei Hämmer jeweils 50 x mit mittlerer Stärke auf eine Betonplatte. Urteilen Sie danach selbst, wie sich Ihr Arm anfühlt ….

In den letzten Jahren wurden unzählige Klebe- und Kunststoffbeschläge (teilweise mit Eisenkern) entwickelt. Sollten Sie sich für einen Beschlag entscheiden müssen oder wollen, bitte wählen Sie eine gelenk- und sehnenschonenden Kunststoff-Beschlag – Ihr Pferd wird es Ihnen danken!

Mein Pferd kann ohne Hufeisen nicht laufen ...

Wenn ein Pferd lahmt oder klamm geht, wollen die Pferdebesitzer schnelle Hilfe, das ist verständlich. Ein Beschlag scheint dann oft die Lösung zu sein. Das Pferd läuft oftmals vorerst besser oder lahmfrei. Das ursprüngliche Problem ist damit jedoch nicht beseitigt und teilweise treten andere, neue Probleme im Laufe der Zeit auf. Die vermeintlich schnelle Lösung ist nicht nachhaltig.

Denn was passiert im Huf, wenn er beschlagen wird?

Der Huf ist mit vielen Nervenenden ausgestattet. Diese „melden“ dem Pferd, um welche Art Untergrund es sich handelt. Der Kronensaum erhält die Information, ob es sich um abriebintensive oder -arme Böden handelt. Entsprechend wird das Hornwachstum beschleunigt oder verringert. Bei hartem, abriebintensivem Boden wird das Hornwachstum beschleunigt und es wird härteres Horn gebildet. Bei weichen Böden wird die Produktion von neuem Horn gedrosselt und es wird weicheres Horn gebildet. Wenn ein Pferd beschlagen ist melden die Nerven des Hufes, dass kein Abrieb stattfindet und deshalb kein härteres Horn gebildet werden muss. Durch den Beschlag werden die Nervenenden des Hufes eingeschränkt, der Blutkreislauf wird gehemmt und der Hufmechanismus wird beeinträchtigt. Das ist vergleichbar mit einer Art Taubheitsgefühl wie bei eingeschlafenen Füßen. Das kann zur Verschleierung von Problemen führen, da das Pferd Huf-Probleme einfach nicht fühlen kann …

Sobald die Eisen abgenommen werden, kehrt das Gefühl in den Hufen wieder zurück. Das kann zu Unwohlsein, klamm gehen oder auch zu Lahmheiten führen. Sobald die Hufe und Nervenenden die Möglichkeit haben sich zu regenerieren, wird diese Phase vorübergehen. Wird der Huf dann langsam für das Barhufgehen trainiert, härtet er aus und es kann zukünftig auf jedem Untergrund geritten oder gefahren werden.

In der Übergangszeit, wenn der Huf noch nicht widerstandsfähig genug ist, kann der temporäre Einsatz von Hufschuhen sinnvoll sein.

In einigen Fällen kann eine Umstellung vom Beschlag auf Barhuf aufgrund von vorhandenen Pathologien problematisch sein. Hier sollte jeweils der Einzelfall geprüft werden. Dies ist z.B. der Fall, wenn Strukturen die beim gesunden Pferd eine horizontale und vertikale Bewegung des Hufes zulassen, verknöchert und nicht mehr beweglich sind. Wenn man bei diesem Pferden eine laterale / mediale Bewegung der Hufkapsel zulässt, kann das zu Schmerzen führen, da die verknöcherten Strukturen diese Verformung des Hufes nicht zulassen (können). Hier bleibt dann oftmals nur der weitere Hufbeschlag als Lösung. Es sollte jedoch darüber nachgedacht werden, ob mit einem Kunststoff-Beschlag (z.B. Duplo) die stoßdämpfende Wirkung auf den Huf verbessert werden kann.

Fehlstellungen von Gliedmaßen und Hufen

Stellungskorrekturen sollten vorsichtig und schonend vorgenommen werden. Ein unbeschlagener Huf kann problemlos regelmäßig korrigiert werden. Durch den Abrieb des Horns korrigiert er sich sogar zum Teil selbst.

Wird ein Huf alle 8-10 Wochen beschlagen, so wird jede Stellungskorrektur „mit einem Ruck“ durchgeführt, da zwischenzeitliche Korrekturen nicht möglich sind. Wenn ein Huf mit Eisen- oder Aluminium-Beschlägen versehen wird, reiben sich die Trachten auf dem Beschlag ab, die Zehe jedoch nicht. Das führt innerhalb der Beschlagsperiode zu einer gravierenden Winkelveränderung des Hufes und zu einer Änderung der Belastungssituation der entsprechenden Strukturen (Bänder, Sehnen, Muskeln). Nach dem Beschlag steht der Huf zunächst wieder korrekt und wächst dann wieder wochenlang in die falsche Stellung hinein, um dann wieder mit einem Mal korrigiert zu werden. Das hat oftmals gravierende Auswirkungen auf das Skelett, die Sehnen und Bänder und auf die Muskulatur.

Wie lange dauert es, bis ein kranker Huf wieder gesund und leistungsfähig ist?

Ein Huf wächst ca. 1 cm. pro Monat (im Sommer etwas mehr, im Winter etwas weniger). Es dauert also rund ein Jahr, bis der Huf sich einmal rundum erneuert hat. Je nach Vorschädigung und Optimierung der Lebens-, und Haltungsbedingungen dauert es ein bis drei Jahre, um wieder einen gesunden und leistungsfähigen Huf zu erhalten.